Weiterfahrt nach Teheran

Wildcampen im Naturpark im Iran ist, wenn sich der Ranger erst zum Abendessen dazugesellt und später nochmal mit der Taschenlampe vorbei kommt und fragt ob wir noch etwas für die Nacht benötigen.

Leider habe ich, wie an jedem Tag, schon wieder einen kleinen Materialschaden. Diesmal ist der Verschlussclip einer meiner Fahrradtaschen zerbrochen. Er hält die Tasche gerade noch zu, es ist aber ärgerlich und er wird sicherlich in nächster Zeit vollständig zerbrechen. Außerdem scheint mir eine Faser in der linken Wade gerissen zu sein, was beim Laufen recht schmerzhaft ist und weswegen ich beim Fahrrad fahren vormittags eine lange Aufwärmphase benötige. Zurückzuführen ist das sicherlich auf die Schonhaltung, die ich mir nach der Achillessehnenentzündung angewöhnt habe um den rechten Fuß zu entlasten und die ich mir einfach nicht mehr abgewöhnem kann.

Am nächsten Morgen führt unsere Route kontinuierlich bergab. Nach der anstrengenden Auffahrt am Vortag, freue ich mich sehr auf das wohlverdiente Rollenlassen, doch der Gegenwind ist so stark, dass wir sogar kräftig in die Pedale treten müssen, um auf dem Gefälle voran zu kommen. Zudem ist die Luft schon wieder so abgasbelastet, dass man nicht richtig atmen kann. All diese Faktoren bereiten mir richtig schlechte Laune, die allerdings zum Nachmittag wieder umschlägt, als wir ohne Wind und mit wenig Verkehr durch wunderschöne Schluchten fahren.

"Für den Islam zu sterben macht uns stolz." (gemeint ist die islamische Revolution von 1979)

Mittags kehren wir in einem Restaurant irgendwo im Nirgendwo ein. Der Gastgeber kommt aus Syrien. Er setzt sich zu uns und erzählt stolzerfüllt und mit strahlenden Augen wie viele Kopfschüsse er in Syrienkrieg erzielt und wie viele Ohren er abgeschnitten hat. Er scheint das jedem zu erzählen. Das Essen kommt mir faßt wieder hoch. Schnell ist klar, dass die Mittagspause heute etwas kürzer ausfallen wird. Mit diesem Menschen möchten wir nicht länger an einem Tisch sitzen und sind so schnell wieder weg wie wir gekommen waren.

Liebliche Deko im Restaurant eines Kriegsverbrechers

Die folgende Nacht verbringen wir in einem ausgetrockneten Flussbett. Micha ist übrigens ein Meister im Campingkochen. Aus Dosenfraß und einer Vielzahl mitgeführter Gewürze, oft aber auch aus frischem Gemüse, zaubert er uns jeden Abend ein Festmahl, wie wir es sonst nirgendwo hier bekommen würden.

Micha ist Chefkoch

Am nächsten Tag sind wir auf einer recht wenig befahrenen Straße unterwegs. Micha fährt vorraus. Plötzlich kommen von hinten drei Jugendliche auf dem Mofa angefahren. Sie ziehen an mir vorbei und steuern extrem nahe an Micha heran. Der hintere holt aus und verucht Micha beim Vorbeifahren mit einem Schupser vom Fahrrad zu werfen. Micha gerät ins Strauchen, kann sich aber gerade noch fangen. Die Drei fahren weiter und biegen bei der nächsten Gelegenheit rechts ab. Zum Glück geht alles gut, aber der Schreck sitzt erst einmal.

Hammet bringt Gemüse aus seinem Garten vorbei

Am nächsten Morgen passiert mir etwas Ähnliches. Diesmal fahre ich vorraus. Ein Autofahrer kommt aggressiv hupend auf den Seitenstreifen gefahren und schneidet mich knapp. Glücklicherweise geht auch diesmal alles gut. Die beiden Ereignisse sind die bisher einzigen wirklich unangenehmen Begegnungen im Iran. Generell ist die Gastfreundschaft größer als in jedem anderen Land das ich bisher besucht habe. Teilweise bekommen wir so viele Lebensmittel geschenkt, dass wir sie kaum noch alle verwerten können. Bei unserem nächsten Nachtlager in einem Anbaugebiet, kommen gleich mehrere Gärtner vorbei und schenken uns Trauben, Walnüsse, Gurken und Tomaten.

Anstehen für frisches Brot, das direkt aus dem Ofen verkauft wird

An die Hitze habe ich mich mittlerweile ganz gut gewöhnt. Tagsüber sind es zwischen 30 und 35 Grad. Je mehr man den Körper verhüllt, umso erträglicher ist es.

Vormittags holt uns Hassan mit dem Fahrrad ein. Nach einem kurzen Gespräch während der Fahrt ruft er seinen Freund Malek an, der wenig später mit seinem Auto neben uns drei herfährt. Malek kommt aus dem Iran und lebt seit 20 Jahren mit seiner Frau in Düsseldorf. Er überredet uns zu einer Mittagspause und läd uns auf Erfrischungsgetränke und Tee in einem Gartenrestaurant ein.

Mittagspause mit Malek und Hassan

Die Gastfreundschaft ist wirklich bemerkenswert. Am Nachmittag werde ich sogar in einem Laden von dem Besitzer auf meinen Einkauf eingeladen. So sehr ich mich auch bemühe, er möchte das Geld einfach nicht anmehmem. Später zelten wir auf einer Pistzienplantage.

Zeltplatz auf einer Pistazienplantage

Am nächsten Morgen freue ich mich zunächst über den ersten Tag ohne Materialschaden, bis die ersten Sonnenstrahlen herauskommen und ich feststellen muss dass mein Käppi verloren gegangen ist. Ohne Kopfbedeckung geht es gar nicht. Nicht einen einzigen Tag. Also fahren wir zunächst in die nächste Stadt und ich suche verzweifelt nach einem Laden, indem ich einen wenigstens ansatzweise adäquaten Ersatz für mein bisheriges ultraleichtes, schnelltrocknendes und mit liebevoller Handarbeit stundenlang modifiziertes Super-Käppi bekomme. Die Suche kostet uns zwei Stunden und bringt ein leider nur mäßig befriedigendes Ergebnis. Immerhin können wir jetzt die noch verbleibenden 170 Kilometer bis Teheran weiter fahren.


Bisher haben wir im Iran die folgenden Tagesetappen geschafft:
25.08.: 50 km
26.08.: 130 km
27.08.: 90 km
28.08.: 40 km
29.08.: 110 km
30.08.: 110 km
31.08.: 110 km
01.09.: 105 km
02.09.: 100 km
03.09.: 70 km


Siehe auch Michas Blogbeitrag zu dieser Etappe: Endspurt nach Teheran

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