Tipps und Hinweise für Radtouren durch Nordkorea

Nordkorea wird oft als das am stärksten abgeschottete Land der Erde bezeichnet und das individuelle und freie Reisen, wie es Touristen in anderen Ländern gewohnt sind, ist in Nordkorea weder mit dem Fahrrad noch mit anderen Verkehrsmitteln möglich. Das Land kann allerdings im Rahmen geführter Touren besucht werden. Hierbei werden die Touristen in stetiger Begleitung zu Orten und Einrichtungen geführt, die zuvor von der staatlichen Tourismusbehörde als Sehenswürdigkeit definiert worden sind und Menschen aus dem Ausland aus Imagegründen gerne von der Regierung präsentiert werden. Es handelt sich bei diesen Reisen üblicherweise um Bustouren.
 
Ich habe das Land vor vielen Jahren als Teilnehmer solch einer mehrtägigen Bustour besucht und bin später als begeisterter Reiseradfahrer der Frage nachgegangen, ob es auch für Ausländer und Touristen eine Möglichkeit gibt, Eindrücke des Landes aus der Perspektive vom Fahrradsattel zu gewinnen. Und in der Tat: Mittlerweile gibt es sie – wenn auch nur sehr eingeschränkt.

Pauschal- bzw. Gruppenreise statt Individualreise

Wie eingangs bereits angedeutet, sind Individualreisen durch Nordkorea weder mit dem Fahrrad noch auf andere Weise möglich. Nicht möglich bedeutet in diesem Fall nicht etwa dass „aus Sicherheitsgründen davon abgeraten“ wird o. ä. Es ist tatsächlich sowohl legal als auch organisatorisch unmöglich das Land als Individualreisender zu betreten und sich ohne staatliche Begleitung innerhalb des Landes zu bewegen. Sämtliche Reisen finden im Rahmen geführter Touren statt, Diese streng getakteten Pauschalreisen werden von vereinzelten Reiseagenturen mit Sitz in verschiedenen Ländern und in Zusammenarbeit mit der nordkoreanischen Tourismusbehörde angeboten. 
 
Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist der Reiseverkehr in Nordkorea derzeit (Stand: März 2021) allerdings vollständig eingestellt.

Spezielle Angebote für Radtouren

Seit 2014 existieren verschiedene touristische Angebote, bei denen geführte Radtouren mit Leihrädern in das klassische Tourenprogramm integriert worden sind. Diese können über einige der wenigen Reiseanbieter gebucht werden, die Nordkorea-Reisen vermitteln, wie beispielsweise über die chinesische Agentur KTG, den Anbieter China Hansa Travel mit Sitz in Hamburg oder den Anbieter Uri Tours, dessen Sitz sich über die Webseite nicht eindeutig nachvollziehen lässt. Im Gegensatz zu den gängigeren Busreisen, werden Radtouren insgesamt jedoch nur verhältnismäßig selten angeboten. Bei Uri Tours war das Angebot beispielsweise für zwei Termine jährlich buchbar und zwar im Mai und im September (Stand Dezember 2019), wobei es derzeit (möglicherweise aufgrund der COVID-19-Pandemie) gar nicht mehr verfügbar ist. 
 
Durch die strikt vorgegebenen Termine können die Touren normalerweise nicht je nach Wettersituation angepasst oder verschoben werden und werden daher entsprechend vom Wetter geprägt sein.
 
Zielgruppe für die angebotenen Standard-Radtouren in Nordkorea sind weder Reiseradler noch Radsport-Profis. Die Radtouren sollen das reguläre Tourenprogramm lediglich als zusätzliches Verkehrsmittel ergänzen, um gemischten Reisegruppen zusätzliche Eindrücke vom Land ermöglichen zu können. Touren ins Gebirge erfordern dennoch eine gute Kondition (siehe unten). Die auf Abenteuerreisen spezialisierte britische Agentur Secret Compass hat auch bereits anspruchsvollere Mountainbike-Trekking-Touren in Nordkorea mit Camping-Übernachtung im Freien angeboten. Das Angebot ist allerdings verhältnismäßig teuer. Einen Erlebnisbericht einer solchen Tour gibt es bei bike-magazin.de.

Eine wenig befahrene AutobahnKlassische der standardgemäß angebotenen Teil- und Ganztagesradtouren sind beispielsweise eine Sightseeing-Rundfahrt durch Pjöngjang (je nach Tour zwischen 4 und 20 Kilometer) und eine Radtour von Pjöngjang zum Ryongtong-Tempel (35 Kilometer) oder Richtung Namp’o (40 Kilometer), bei der die Rückfahrten jeweils mit dem Auto erfolgen. Die Strecke Richtung Nampo führt teilweise über die Straße der Heroischen Jugend, eine von Kindern und Jugendlichen errichtete und im Jahr 2000 eröffnete Autobahn mit geringem Verkehrsaufkommen. Außerdem buchbar sind Trails um den Mount Kuwol (10 Kilometer), um den Mount Chilbo (20 Kilometer), um den Mount Paekdu (45 Kilometer) und zum Ryongtong-Tempel und dem Pakyon-Wasserfall bei Kaesong (25 Kilometer). Die längste angebotene Tour führt mit 50 Kilometern um den Mount Jangsu. Die Touren werden von einem Versorgungs-Bus begleitet in dem auch die Räder zum Startpunkt transportiert werden.

Preislich bewegen sich die Angebote, je nach Gruppengröße und Dauer, im Rahmen von 1500 bis 4100 Euro, wobei die Reise zu den Ausgangspunkten Beijing oder Wladiwostok individuell organisiert werden muss und im Preis nicht inbegriffen ist.

Einreise

Die Einreise nach Nordkorea findet über Beijing oder Wladiwostok statt und wird von der Reiseagentur organisiert. Das Visum kann ebenfalls über die Reiseagenur oder wahlweise auch selbstständig über die nordkoreanische Botschaft in Berlin beschafft werden. Bei der Ein- wie Ausreise besteht häufig die Wahlmöglichkeit zwischen Flugzeug und Bahn. Aus Klimaschutzgründen ist natürlich die Reise mit der Bahn zu empfehlen. Sie bietet zudem die einzige Gelegenheit auch jenseits der für den Tourismus ausgebauten Pfade – zumindest durch das Fenster – einen Einblick in die ländliche Region des Landes zu erhalten. Trotzdem ist auch der Flug mit der staatlichen nordkoreanische Fluggesellschaft Air Koryo ein interessantes Erlebnis und an Bord erhält man kostenlose und aktuelle nordkoreanischen Zeitungen in englischer Sprache. Wer darauf nicht verzichten möchte, sollte zumindest eine CO2-Kompensation vornehmen.

Die Anreise zum Ausgangsflughafen oder -Bahnhof in Beijing beziehungsweise Wladiwostok muss selbstständig und individuell organisiert werden oder zusätzlich über die entsprechende Reiseagentur gebucht werden. Gleiches gilt für die Visa-Beschaffung für China beziehungsweise Russland.

Routenplanung

Über die Routenplanung muss man sich natürlich keine Gedanken machen. Sie beschränkt sich auf die Auswahl aus dem vorgegebenen Tourenangebot (siehe oben). Trotzdem habe ich spaßeshalber einmal getestet, was mir Online-Routenplaner in dieser Hinsicht empfehlen würden. Während Google-Maps mitteilt, dass beispielsweise für die Strecke Pjöngjang – Kaesŏng eine „Radroute nicht verfügbar“ sei, schlägt der Outdoor-Tourenplaner Komoot Strecken vor, die sowohl für Fahrrad, Mountainbike als auch Rennrad geeignet seien.
 
Nordkorea ist ein sehr gebirgiges Land und einige der angebotenen Mountainbike-Routen erfordern gute Kondition, da teilweise starke Steigungen von bis zu 17 Prozent auf Kieswegen zu überwinden sind. Eindrücke dieser Touren gibt es in dem folgenden Video. (Englisch)

 
Wie frei man sich auf der Tour tatsächlich bewegen kann und ob es beispielsweise möglich ist auch spontan in eine Straße abseits der geplanten Route abzubiegen, hängt letztendlich von der Gruppengröße und der Flexibilität des jeweiligen Tourguides ab. Bei einer Einzeltour mit einem erfahrenen Guide, ist die Möglichkeit einer spontane Rotenabweichung eher wahrscheinlich, als bei einer größeren Gruppe mit verhältnismäßig unsicheren Tourguides.

Radverkehr und Infrastruktur

Bis in die 1990er Jahre war das Fahrradfahren in Nordkorea verboten. Heute gilt es dagegen, zumindest auf dem Land, als eines der wichtigsten, wenngleich von der Regierung angeblich aber auch ungerne gesehenes Fortbewegungsmittel. Immer wieder wurde in westlichen Medien von neuen staatlichen Repressionsversuchen gegen das Fahrrad gesprochen, bis hin zu einem zeitweisen aber mittlerweile offensichtlich wieder aufgehobenen Radfahrverbot für Frauen, wobei die Quellensituation, wie so oft wenn es um Nordkorea geht, nicht ganz eindeutig ist.

Die Fahrbahnen sind ausschließlich auf den Kraftverkehr ausgerichtet und diesem vorenthalten. Entgegen dem in westlichen Medien gerne verbreiteten Klischée der Verkehrspolizistin, die den ganzen Tag auf der Straße stehen und „den nicht vorhandenen Verkehr regeln“ würde, existiert zumindest in der Hauptstadt Pjöngjang durchaus viel Autoverkehr. Radfahren ist nur auf Gehwegen oder den vereinzelt vorhandenen Radwegen erlaubt. Diese sind, wie auch die benutzungspflichtigen Radwege in Deutschland, mit einem runden Schild gekennzeichnet, auf dem ein weißes stilisiertes Fahrrad auf blauem Grund abgebildet ist. Selbst beim Überqueren von Straßen müssen Fahrräder geschoben werden. Radfahrende halten sich in Nordkorea auch penibel an diese Regel, wie es auf vielen Fotos zu sehen ist und wie es mir auch @joejoematic bestätigte, der Ende Oktober 2018 die Möglichkeit hatte zusammen mit einem nordkoreanischen Guide eine Radtour durch Pjöngjang zu machen.

 
Einen weiterführenden Artikel zum Thema Radverkehr in Nordkorea, indem auch ein Foto von mir verwendet wird (worüber ich mich sehr freue) gibt es in dem Blog itstartedwithafight.de.

Ein detaillierter virtueller Eindruck von einer Radtour durch Pjöngjang und der entsprechenden Infrastruktur, lässt sich in diesem fünfteiligen Video gewinnen.

Fahrräder und Radmitnahme

Bei den Leihfahrrädern soll es sich nach Auskunft eines Hamburger Reiseanbieters für China- und Nordkorea-Reisen um einfache Stadträder handeln. Für Touren außerhalb der Stadt und speziell im Gebirge werden aber auch Mountainbikes zur Verfügung gestellt. 
 
Die Mitnahme des eigenen Fahrrads soll sowohl per Bahn als auch per Flugzeug möglich sein. Die genauen Aufpreise und Transportbedingungen sind im Vorfeld mit der Reiseagentur zu klären. Der Transport des Fahrrad zum Flughafen oder zum Bahnhof in Beijing oder Wladiwostok ist jedoch auch hierbei selbstständig und eigenverantwortlich zu organisieren.
 
Gute Reiseagenturen sind bei der Fahrradmitnahme sehr serviceorientiert und versuchen Sonderwünsche nach Absprache mit den Kunden und den nordkoreanischen Behörden so weit es geht zu ermöglichen. 
 
Bei den von Nordkoreanerinnen wie Nordkoreanern verwendeten Alltagsrädern, handelt es sich in der Regel übrigens um registrierte und mit einem Nummernschild versehene Damenräder mit Lenkerkorb (Quelle). Seit 2013 gibt es in Pjöngjang für die einheimische Bevölkerung auch Leihradstände, über die Fahrräder für Einzelfahrten ausgeliehen werden können. (Danke für den Hinweis @joejoematic)

Fazit

Für Menschen die gerne Einblicke in das Land bekommen möchte ohne dabei auf das Fahrrad verzichten zu müssen, können die angebotenen geführten Radtouren sicherlich eine Option darstellen. Man sollte sich dabei im Klaren sein, dass alle Faktoren wie Freiheit und Abenteuer, durch die sich Individualradreisen mit dem Fahrrad aus westlich geprägter Sicht oft auszeichnen, nicht existieren und alle Touren und Stationen zuvor für die touristische Präsentation hergerichtet worden sind. Mit einem authentischen Leben in Nordkorea hat dies sicherlich nur wenig gemein. Aber auch zu sehen und zu verstehen, wie Nordkorea sich gerne präsentieren möchte, kann durchaus interessant und aufschlussreich sein.

Sollte sich Nordkorea eines Tages überraschenderweise für den Individualtourismus öffnen (was ich nicht ausschließen würde), wird es sicherlich eines der spannendsten zu erkundenden Radreiseländer sein. Eingefleischte Radfahrerinnen und Radfahrer werden wahrscheinlich aber bereits unter den derzeit gegebenen Einschränkungen mehr Freude daran haben, die touristischen Pfade Nordkoreas und dessen wunderschöne Natur auf einer geführten Tour mit dem Fahrrad statt aus dem Bus heraus zu erkunden.

Weitere Informationen

Allgemeine Reiseinformationen und Einreisebestimmungen für Nordkorea gibt es bei Wikivoyage und beim Auswärtigen Amt.

Sollten dir darüber hinaus interessante Tipps und Hinweise für Radtouren durch Nordkorea bekannt sein, würde ich mich freuen, wenn du sie hier in den Kommentaren oder bei Wikivoyage ergänzt.

Siehe auch

Radreisetipps für weitere Länder

Kommentare

  1. BIN BEGEISTERT !! Allein die Überschriften.......

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  2. "Wer darauf nicht verzichten möchte, sollte zumindest eine CO2-Kompensation vornehmen." Solche Hinweise kann man sich auch verkneifen, wenn man Reisen in eine kommunistische Diktatur bewirbt.

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  3. Nordkorea - das wäre nichts für mich;(

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