Die Sternfahrt auf der Nachtstrecke von Leipzig zum Brandenburger Tor

 

Die Sternfahrt von Berlin gilt als „die größte Fahrraddemo der Welt“. 2019 stand die Forderung nach #MehrPlatzFürsRad im Mittelpunkt. 90.000 Radfahrende nahmen diesmal laut Angaben des Veranstalters daran teil. 19 verschiedene Routen führten aus allen Himmelsrichtungen zum Brandenburger Tor.

Nachdem ich im vergangenen Jahr die Schnellstrecke von Frankfurt/Oder mitgefahren war (hier mein Bericht), beschloss ich in diesem Jahr an der Nachtfahrt teilzunehmen, die vom Hauptbahnhof in Leipzig zum Brandenburger Tor in Berlin führte. Was es mit der Nachtfahrt auf sich hat, wie sich die Strecke fuhr und ob es sich lohnt beim nächsten Mal dabei zu sein, habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst.

Die aufgezeichnete Route ist auf Komoot zu finden und steht dort zum Download zur Verfügung.


Hintergrund

Die Nachtfahrt von Leipzig war kein offizieller Teil der Demonstration, sondern verstand sich auf der Strecke bis Werder als Zubringer zur Sternfahrt. Entsprechend war die Gruppe selbstständig und ohne Polizeibegleitung unterwegs und hatte die Regeln der StVO einzuhalten. Da wir allerdings mehr als 15 Personen waren, konnten wir als Verband fahren und für einen Verband gelten spezielle Verkehrsregeln. Teilnehmende eines Verkehrsverbands dürfen beispielsweise nebeneinander fahren und dabei die ganze Spur beanspruchen. Sie können außerdem geschlossen über eine Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel zwischenzeitlich auf Rot wechselt.

Organisiert wurde die Nachtfahrt von dem Erlebnis- und Sportverband Apricus, der die Tour zunächst 2017 für die Sternfahrt testete und im Folgejahr erstmals offiziell mit einigen Teilnehmenden durchführte. Alle Details für die Nachtfahrt 2019 und die einzelnen Zwischenstopps und Uhrzeiten sind hier zu finden. Eine Anmeldung per E-Mail oder Telefon war erwünscht. Vom Veranstalter bekam man daraufhin die wichtigsten Infos per E-Mail zugesendet.

Vor dem Start

Für mich ging es zwei Tage zuvor auf dem Berlin–Leipzig Radweg und mit einer Übernachtung auf einer Waldlichtung nach Wittenberg und von dort mit dem Zug weiter nach Leipzig. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt bestand mein Plan eigentlich darin, mich vor zur Abfahrt in einen Park zu legen und für ein paar Stunden zu schlafen, aber vor lauter Nervosität konnte ich dort leider kein Auge zu machen. Viel zu groß waren die Zweifel, auf der Fahrt wegen fehlendem Schlaf, zu viel Gepäck, einem bereits von der Hinfahrt schmerzenden Hintern und einer möglicherweise erneut auftretenden Fußverletzung, nicht mit der Gruppe mithalten zu können. Bedenken die sich später als unbegründet herausstellten.


Briefing kurz vor der Abfahrt am Hauptbahnhof Leipzig

Start in die Nacht

Pünktlich um 1:20 Uhr starteten wir als Gruppe bestehend aus etwa 35 Personen am Hauptbahnhof in Leipzig. Mit dabei waren die unterschiedlichsten Fahrräder, ein Liegerad, mehrere Rennräder und auch wenige eher alte und klapprige Fahrgestelle, denen ich ehrlich gesagt nicht zugetraut hatte, die Strecke meistern zu können. Ich trat mit meinem schwer bepackten Reiserad an. Das Wetter war hervorragend. Die Nacht war klar, der Himmel frei und die Temperatur angenehm. Die Route führte weitestgehend über die B2, die in der Nacht von Samstag auf Sonntag fast vollkommen frei von Verkehr ist.

Nachts auf der B2
Das Fahren im Konvoi durch die Nacht, war eines meiner Highlights der Tour, denn als Stadtbewohner fahre ich nur selten durch die Dunkelheit und im Verkehrsverband trägt das gesteigerte Sicherheitsgefühl deutlich zum entspanntem Fahren bei.

Da wir erst verhältnismäßig spät in der Nacht gestartet waren, ließ der Sonnenaufgang allerdings nicht lange auf sich warten und so rauschten wir mit den Rädern auf hervorragendem Asphalt durch eine im Bodennebel versunkene und von der aufsteigenden Sonne langsam erweckte Landschaft.

Versorgung und Infrastruktur

Ausreichend Nahrungsmittel dürfen bei einer ausgiebigen Nachtfahrt natürlich ebenso wenig fehlen, wie eine gute Beleuchtung am Fahrrad. Für die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser war jede und jeder selber verantwortlich. Bis Werder gab es lediglich bei Wittenberg eine offene Tankstelle auf etwa halber Strecke, an der sich die Vorräte auffüllen ließen.

Insgesamt wurden eine halbstündige und mehrere kürzere Pausen eingelegt. Wer unterwegs aussteigen wollte, fand mehrere Bahnhöfe entlang der Strecke. Der spätere Zustieg für Nachzügler, war nach vorheriger Absprache an einigen vorgegebenen Bahnhöfen möglich. Zwei Freundinnen von mir nutzen diese Möglichkeit und stießen morgens gegen acht Uhr in Borkheide dazu.

Schwierigkeiten

Sonnenaufgang im Nebel
Bis Werder betrug die einzuhaltende Durchschnittsgeschwindigkeit 21 km/h. Erst ab dort ging es als offizieller Teil der Demonstration mit Polizeibegleitung und einer Durchschnittsgewschwindigkeit von etwa 15 km/h weiter. Ich fand die Geschwindigkeit insbesondere in der ersten Hälfte der der Strecke zwischen Leipzig und Werder etwas zu schnell. Es wurde im Vorfeld angesagt, dass es jedem frei stehe voraus zu fahren, was einige dazu anspornte in die Vollen zu gehen. Dies wiederum führte dazu, dass sich einige langsamere Teilnehmende gehetzt und abgehängt fühlten. Auch ich habe mich von den Vorausfahrenden dazu antreiben lassen, mehr als mir lieb war in die Pedale zu treten, um nicht zu weit nach hinten zu fallen, wodurch sich wiederum andere getrieben fühlten. Wer Teil der Gruppe bleiben möchte, sollte in meinen Augen aus Rücksicht auf die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinter den Guides fahren.

Zudem hätte ich eine etwas frühere Abfahrtzeit von 30 bis 60 Minuten entspannter gefunden, um nicht erst mitten in der Nacht zu starten, mehr Zeit für die Fahrt durch die Dunkelheit zu haben und die Durchschnittsgeschwindigkeit etwas reduzieren zu können.

Leider blieb unsere Tour nicht pannen- und unfallfrei. Ein Teilnehmer musste unterwegs wegen eines platten Reifens aussteigen und nachdem wir Borkheide hinter uns gelassen hatten, stießen drei Radfahrer zusammen und fielen zu Boden. Glücklicherweise blieben alle Beteiligten unverletzt, jedoch hatten zwei Fahrräder anschließend eine Acht im Reifen. Sie konnten den Schaden jedoch notdürftig beheben und in Werder, wo der offizielle Teil der Demonstration begann, wieder dazu stoßen.

Über die Autobahn

Rennstrecke Avus
Ein Highlight der Sternfahrt ist natürlich immer die Etappe über die vom motorisierten Verkehr befreite Autobahn. Zwei Streckenabschnitte stehen dafür zur Auswahl. Während die eine Hälfte der angebotenen Routen über die Avus führt, treffen sich die anderen Routen, um in Neukölln auf den Südring und dort durch den Tunnel und weiter bis zur Ausfahrt Alboinstraße zu fahren. Wer sich an der Nachtfahrt aus Leipzig beteiligte, wurde über die Avus geleitet. Vor der Auffahrt kommt es leider jedes Jahr zu einem größeren Stau, weswegen etwas Geduld erforderlich ist. Angesichts der guten Stimmung und des hervorragenden Wetters, ließ sich dadurch jedoch kaum jemand aus der Ruhe bringen.

Fazit

Und wie fühlt man sich am frühen Nachmittag bei hochsommerlichen Temperaturen, nach 185 Kilometern und einer durchfahrenen Nacht? Natürlich unglaublich müde und körperlich verausgabt, aber auch ebenso entspannt und zufrieden, voller Eindrücke und sicherlich auch ein wenig stolz.

Mindestens fünf mal habe ich bisher an der Sternfahrt und über unterschiedliche Routen teil genommen und ich kann zweifellos sagen, dass dies meine bisher schönste und ereignisreichste Sternfahrt gewesen ist und verdammt viel Spaß gemacht hat. An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal ganz herzlich bei den beiden Guides Michael und Jens und für deren gute Organisation bedanken.

Ich hoffe dass es auch in den folgenden Jahren wieder eine Nachtfahrt von Leipzig geben wird und kann jedem Menschen, der Lust auf ein ungewöhnliches Erlebnis und eine kleine Herausforderung hat, wärmstens empfehlen einmal dabei zu sein.





Die App „Critical Maps“ zeigt Teilnehmende der einzelnen Routen an. (Blau von Leipzig kommend)

Einfahrt nach Berlin



Stau vor der Autobahn-Auffahrt

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